Kurz nach der Übernahme der Firma Portland Zementwerke Seibel und Söhne GmbH & Co. KG durch die Firma Dyckerhoff erfolgte am 09.04.2018 die Mitteilung der Firma Dyckerhoff über die Einstellung der Klinker- und Zementproduktion im Jahr 2019. Eine eingehende rechtliche Prüfung ergab schon im Jahr 2019 dass keine Rückbauverpflichtung für die Bestandsanlagen durch Firma Dyckerhoff besteht. Seitdem wurde verwaltungsseitig nach alternativen Nutzungen für das Gelände gesucht. Im Fokus standen hierbei seit 2019 die Ansiedlung einer Klärschlammmonoverbrennung und einer Spedition. Hierzu wurden zahlreiche Gespräche und Verhandlungen geführt.
Am 05.05.2020 erfolgte der einstimmige Beschluss auf die Beantragung einer Änderung des Regionalplans mit dem Ziel einer Nachnutzung des Gebiets sowie der Errichtung eines Gleisumschlagplatzes im Erwitter Süden. Im Fokus stand die Ansiedlung einer Klärschlammmonoverbrennung und eine dafür notwendige schnellere regionalplanerische Veränderung (Entfall der Zweckbindung).
Eine partielle Nutzung eines südlichen Geländeteils ohne Abriss des Gesamtanlagenbestandes wäre hiermit erfolgt. Daher erfolgte ein Antrag auf Zielabweichung für die Errichtung einer Klärschlammmonoverbrennung durch die zukünftige Betreibergesellschaft bei der Bezirksregierung Arnsberg. Das gemeindliche Einvernehmen wurde mit Beschluss vom 17. Mai 2021 nicht erteilt
Vielmehr wurde die Verwaltung am 17. Mai 2021 beauftragt, dass zwischen Stadtverwaltung und Firma Dyckerhoff Verhandlungen zur vollständigen Übernahme des überbauten Firmengeländes des ehemaligen Zementwerks Seibel und Söhne im Zuge eines ganzheitlichen Nachnutzungskonzeptes erfolgen sollen. Auf dieser Fläche soll im Zuge der Nachnutzung ein GI-Gebiet entwickelt werden. Hierzu soll im Zuge eines Zielabweichungsverfahrens eine Entfernung der Zweckbindung „Zement“ im Regionalplan erfolgen.
Weiterhin wurde die Stadtverwaltung durch den Rat beauftragt die Möglichkeiten einer Entfernung der Werksanlagen und den Umgang mit etwaigen Altlastenproblematiken auf dem Gelände unter möglichst wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu planen.
Seitdem wurden verwaltungsseitig diverse Schritte zur Eröffnung einer ganzheitlichen Nachnutzung des Geländes unter größtmöglicher Bereinigung der jetzt aufstehenden Gebäude unternommen.
„Ich bin sehr froh, dass wir dem Rat ein ganzheitliches, nachhaltiges und vollumfängliches Nachnutzungskonzept vorstellen können. Ich bin überzeugt, dass wir hier mit den Standort Erwitte langfristig stärken“ erklärt Bürgermeister Henneböhl.
Seit November 2021 hat die Verwaltung einen Weg gesucht, ein bereits „bereinigtes“ Gelände von der Firma Dyckerhoff zu erwerben und dieses dann wieder als GI-Gebiet an geeignete Investoren zu veräußern. Somit würde der tatsächliche planerische und technische Aufwand für die Beräumung nicht bei der Stadt Erwitte liegen, sondern dem Grundstücksrechtsgeschäft vorgelagert. Gleichzeitig bleibt die Gestaltungshoheit der zukünftigen Gewerbeansiedlung zu 100% bei der Stadt Erwitte: „Wir wollen uns auf den Bereich konzentrieren, für den wir als Stadt einen gesetzlichen Auftrag haben: städtebauliche Entwicklung und Wirtschaftsförderung! Der Abriss von ehemaligen Zementwerken gehört nicht dazu“, erläutert Bürgermeister Hendrik Henneböhl die Planungen.
Ziel des Vorgehens ist es, eine möglichst kurzfristige und wirtschaftliche Übernahme des Geländes im marktfähigen Zustand zu ermöglichen. Weiterhin war es der Stadtverwaltung als geplante Käuferin der dann beräumten Flächen sehr wichtig, dass die Beräumung und Herrichtung des Geländes durch Fachbüros und Firmen mit umfangreichen Erfahrungen sowie der notwendigen Fachkunde und Leistungsfähigkeit sowie entsprechenden Einrichtungen zum Umgang mit belasteten Baumaterialien, gerade auch mit Blick auf die umwelt- und bodenfachlichen Fragestellungen des Vorhabens, erfolgt. Dies wurde durch eine Einbeziehung der Fachbehörden und entsprechende juristische Festlegungen im Grundstückskaufvertrag abgesichert.
Firma Dyckerhoff hat sich in entsprechenden Verhandlungsrunden für die 12 Hektar Werksgelände sowie die angrenzenden 15,7 Hektar Grün- und Verkehrsfläche für ein solches Vorgehen bereiterklärt. Außerdem wurden seitens der Firma Dyckerhoff umfangreiche Steinbruchflächen (rund 24 Hektar) als städtebauliche Kulisse etwa für einen ersten Einstieg in die Umsetzung der Erwitter Senke zu einem obligatorischen Betrag angeboten. Alle durch Firma Dyckerhoff zu erfüllenden Rückbau-, Sicherungs- und Rekultivierungsmaßnahmen für diese Steinbruchflächen werden vor einer entsprechenden Übergabe abgeschlossen und durch die zuständigen Fachbehörden testiert. Neben dem Kulisseneinstieg zur Erwitter Senke sind in diesem Bereich außerdem Szenarien zur Erzeugung von erneuerbaren Energien in der Flächenkulisse denkbar. „Wir freuen uns, dass Firma Dyckerhoff und die Stadt Erwitte ein gemeinsames Verhandlungsergebnis präsentieren können. Die Verhandlungen waren positiv, zielorientiert und fruchtbar“, berichtet Bürgermeister Henneböhl erfreut.
Die Zweckbindung für die ehemalige Werksfläche soll im Zuge eines Zielabweichungsverfahren auch kurzfristig erfolgen. Voraussetzung ist der Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags und die Aufstellung eines Bebauungsplans, die Festsetzung als GI-Gebiet sowie die Einreichung eines entsprechenden Antrags auf Zielabweichung. Somit kann passgenau zur Übernahme des beräumten Geländes zum Jahr 2024 auch eine Gewerbeansiedlung erfolgen. Der zuständige Ausschuss wird hierüber am 19. September 2022 beraten.
Durch Firma Dyckerhoff wurde ein Abbruchkonzept, die Einmessung des Geländes und des Bodenprofils sowie eine umfassende Begutachtung des Geländes sowie der aufstehenden Bebauung durch ein Ingenieurbüro und eine Fachfirma erstellt und mit Blick auf die naturschutz-, bodenschutz- und wasserschutzfachlichen mit den zuständigen Fachbehörden abgestimmt. Diese begrüßen das Vorgehen und haben den Umsetzungsplanungen zur Beräumung und Nivellierung des Geländes ihre Zustimmung erteilt, wobei abschließende Genehmigungen erst nach der Grundsatzentscheidung des Rats beantragt werden.
Das Abbruchkonzept sieht folgendes Vorgehen vor:
- Fachgerechter Abbruch aller aufstehenden Anlagen des Zementwerks und seiner Nebenanlagen sowie Demontage auch im Erdreich liegenden Anlagenteile.
- ggf. fachgerechte Beseitigung aller Gefahrstoff und belasteten Güter gem. den dafür einschlägigen rechtlichen Vorgaben und unter fortlaufender Überwachung eines Ingenieurbüros sowie der zuständigen Fachbehörden.
- Recycling und Verkauf des gesamten Metallschrotts.
- Einbringung der erzeugten Recyclingstoffe und Stabilisierung der Bodenauflage zur Verfüllung und Nivellierung des Geländes gem. technischer und fachbehördlicher Vorgaben für ein neues GI-Gebiet.
- Direkte Vorbereitung der abwassertechnischen und verkehrlichen Erschließung des Geländes.
Die Gesamtinvestitionssumme der Stadt Erwitte liegen im siebenstelligen Bereich in den Jahren 2022 bis 2024. Erfreulich ist, dass direkt drei verbindlich ansiedlungswillige Betriebe aus der heimischen Region gefunden werden konnten, welche konkrete Flächen direkt nach der Herstellung des Geländes ansiedeln wollen und entsprechende Flächen bei der Stadt Erwitte erwerben werden. Weiterhin geht mit der Ansiedlung bzw. Verlegung von Standorten der ansiedlungswilligen Betriebe eine Entlastung des Innenstadtverkehrs einher. Diese ist insbesondere durch die Verlegung der Betriebe und die Vermeidung der bisherigen Pendelverkehre z.B. zwischen dem Erwitter Westen und dem Gewerbegebiet-Nord sowie dem Standort der Bodendeponie in Anröchte begründet. Auch von einer Belastung der Berger Straße mit Schwerverkehr ist auf Grund der analysierten Verkehrsziehungen der ansiedlungswilligen Betriebe nicht auszugehen. Insbesondere da die ansiedlungswilligen Betriebe aus der Region stammen, ist auch nicht mit großen zusätzlichen Verkehren zurechnen, sondern insbesondere mit der Beschriebenen Verlagerung der Quelle- und Zielverkehre mit positiver Wirkungen auf das Zentrum von Erwitte. Außerdem soll durch eine Reaktivierung des vorhandenen Gleisanschlusses des Geländes der beschriebene Effekt noch weiter erhöht werden. Erste positive Gespräche mit der WLE sind hierzu erfolgt. Alle ansiedlungswilligen Unternehmen haben eine hohe räumliche Passung.
Somit wird über diese Ansiedlungen auch eine Re-Finanzierung der grundlegenden Investition zum Erwerb der beräumten Flächen sowie notwendiger Erschließungsmaßnahmen zeitnah erfolgen und die Finanzierung des Vorhabens abgesichert.
Insgesamt kann in diesem Fall von einer für die Stadt Erwitte aus finanzieller sowie volks- und betriebswirtschaftlichen Sicht sehr positiven Gesamtentwicklung gesprochen werden, insbesondere da die Erlöse aus dem Verkauf der Flächen, die Investitionskosten kurz- bis mittelfristig mindestens decken werden. Nicht monetär berechnet ist der volkswirtschaftliche Mehrwert, die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen sowie dass mit der Ansiedlung zu erwartende, erhöhte Steueraufkommen für die Stadt Erwitte.
Auch aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ist die Nachnutzung einer bereits versiegelten Industriefläche mit in großen Teilen brachliegenden Produktionsstätten für eine neue gewerbliche Nutzung als äußerst positiv zu bewerten. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Flächenverbrauchs und dem voraussichtlich höheren Entsiegelungsgrad der Flächenkulisse.