Die Flächennachnutzung des ehemaligen Zementwerkes Seibel und Söhne und Neuentwicklung des Industriequartiers Erwitte-Süd nimmt Gestalt an. Das frühere Werksgelände wird derzeit mit schwerem Gerät beräumt, die alten Industrieanlagen verschwinden nach und nach. Um den aktuellen Projektstand im Rahmen einer Besichtigung zu zeigen, lud die Stadt Erwitte gemeinsam mit den beteiligten Projektpartnern, der Dyckerhoff GmbH als aktuellem Eigentümer der Fläche sowie der Wilhelm Knepper GmbH & Co. KG als den Abbruch und das anschließende Recycling durchführende Unternehmen auf die mit über 12 Hektar derzeit größte Abbruchbaustelle im Kreis Soest ein.
Mit dem künftigen Industriequartier Erwitte-Süd entsteht auf der ehemaligen Fläche des Zementwerks Seibel und Söhne ein beispielhaftes Projekt für eine nachhaltige Flächenreaktivierung. Mit diesem Großprojekt wird das ökonomische Potenzial der Stadt gefestigt und im wahrsten Sinne des Wortes für die Zukunft ausgebaut. Dies geschieht äußerst nachhaltig, weil gänzlich ohne den Verbrauch neuer Flächen und unter Beseitigung einer großen Industrieanlage, die Ihre Anfänge in der Gründungszeit der Bundesrepublik Deutschland hat. Mit ihrem Ende folgt nun auch ein Neuanfang.
Bürgermeister Hendrik Henneböhl nutzte die Gelegenheit bei seiner Begrüßung, all jenen Beteiligten aus Politik und Verwaltung für ihre Kooperation im gesamten Planungs- und Abstimmungsprozess zu danken, damit dieses
„für Erwittes Wirtschaft und Stadtplanung beispiellose Großprojekt der letzten Jahrzehnte realisiert werden konnte“.
Der Dank richtete sich neben den Mandatsträgern aus Rat, Kreistag und Landtag auch an die Mitglieder des Regionalrates als regionalem Planungsträger für den Bereich des Regierungsbezirks Arnsberg und auch die Kolleginnen und Kollegen der Stadtverwaltung.
Zugleich hob Henneböhl auch die intensiven Austausche mit den Planungsbehörden des Kreises Soest und der Bezirksregierung Arnsberg hervor, vertreten durch Philipp Büngeler als Abteilungsleiter Umwelt beim Kreis Soest und Thomas Sommer als Leiter der Abteilung Regionale Entwicklung, Kommunalaufsicht und Wirtschaft bei der Bezirksregierung Arnsberg.
Nach einem Rückblick von Franz-Josef Barton, Werksgruppenleiter Nord der Dyckerhoff GmbH, auf die letzte Geschichte des nun verschwindenden Werkes gaben als Gastgeber des Abends Carsten Knepper und Ludger Mintert aus der Geschäftsführung der Wilhelm Knepper GmbH & Co. KG als ausführendem Abbruchunternehmen einen Einblick in die technische Komplexität des Vorhabens und enormen Dimensionen der Baumaßnahmen – von der ersten Einmessung mit modernsten digitalen Verfahren und Bodenerkundungen über den derzeitigen Abbruch und die Entsorgung der Materialien bis hin zur Aufbereitung und Nivellierung der dann bereinigten Fläche.
Zum Hintergrund: Projektsteckbrief Industriequartier Erwitte-Süd
Ausgangslage des Projektes war die Übernahme der Firma Portland Zementwerke Seibel und Söhne GmbH & Co. KG durch die Dyckerhoff GmbH in 2018 und die Einstellung der Klinker- und Zementproduktion in 2019 mit dem Verlust von fast 150 Arbeitsplätzen am Standort Erwitte.
Es folgten erste Vorüberlegungen zur Nachnutzung des Geländes und zur Vermeidung der Entstehung einer Industrieruine im Süden der Stadt Erwitte. Diese Überlegungen aus dem Jahr 2019 sahen eine partielle Nutzung eines südlichen Geländeteils ohne Abriss des Gesamtanlagenbestandes für die Errichtung einer Klärschlammmonoverbrennung vor. Diesen Planungen wurde seitens des Rates kein gemeindliches Einvernehmen erteilt.
Vielmehr wurde seitens der Stadtverwaltung Erwitte die Option einer vollständigen Übernahme des überbauten Firmengeländes im Zuge eines ganzheitlichen Nachnutzungskonzeptes vorgeschlagen und einstimmig am 17. Mai 2021 im Stadtrat beschlossen. Die ehemaligen Werksflächen sollen im Zuge einer Nachnutzung zu einem GI-Gebiet entwickelt werden. Hierzu wurde ein Zielabweichungsverfahren in Bezug auf die bestehende Zweckbindung „Zement“ im Regionalplan seitens der Stadt Erwitte eingeleitet.
Das Projektziel wurde in Verhandlungen mit der Dyckerhoff GmbH dahingehend erweitert, dass die Stadt Erwitte ein bereits „bereinigtes“ Gelände von der Dyckerhoff GmbH erwerben will und dieses als GI-Gebiet im Anschluss durch die Stadt Erwitte an geeignete Investoren veräußert werden soll. Somit würde der tatsächliche planerische und technische Aufwand für die Beräumung dem Eigentumserwerb vorgelagert und durch die Dyckerhoff GmbH erfolgen. Die Gestaltungshoheit der zukünftigen Gewerbeansiedlung bleibt aber vollständig bei der Stadt Erwitte. Den entsprechenden Grundstückserwerb für ein „bereinigtes“ Gelände zwischen der Dyckerhoff GmbH und der Stadt Erwitte hat der Rat der Stadt Erwitte im September 2022 beschlossen und damit final den Weg für dieses Projekt geebnet.
Das eingeleitete Zielabweichungsverfahren wurde Ende März 2023 durch einen entsprechenden Beschluss des Regionalrats erfolgreich zum Abschluss gebracht, sodass im April 2023 der Kaufvertrag zwischen der Dyckerhoff GmbH und der Stadt Erwitte geschlossen werden konnte.
Nach der Genehmigung des Abbruchkonzepts, der finalen Einmessung/Bodenprofilierung sowie einer zwischenzeitlich erfolgten umfassenden Begutachtung des Geländes und der aufstehenden Bebauung durch ein Ingenieurbüro und eine Fachfirma, erfolgte der Abbruchbeginn der Bestandsanlagen unter Beachtung der naturschutz-, bodenschutz- und wasserschutzfachlichen Anforderungen im Mai 2023.
Insgesamt wird die Stadt Erwitte damit nach der vollständigen Beräumung und Herstellung des Geländes 12 Hektar ehemaliges Werksgelände sowie die angrenzenden 15,7 Hektar Grün- und Verkehrsfläche übernehmen und zum Industriequartier Erwitte-Süd weiterentwickeln. Zudem erwirbt die Stadt Erwitte umfangreiche Steinbruchflächen (rund 24 Hektar), welche erste Elemente des Steinbruchfolgenutzungskonzeptes Erwitter-Senke aufgreifen wird. Weiterhin soll die Reaktivierung der anliegenden Bahnstrecke erfolgen, sodass ein Teil der Waren und Güter über die Bahnstrecke bewegt werden können. Die Gesamtinvestition der Stadt Erwitte beläuft sich auf mehrere Millionen Euro. Die Investitionssumme wird aber durch die Grundstückverkäufe refinanziert. Die Projektlaufzeit ist bis Ende 2024 geplant. Die Maßnahme ist damit derzeit eine der größten in Nordrhein-Westfalen und im Kreis Soest.